Formatives Assessment in der Schule – eine Innovation der Leistungsbeurteilung

Formatives Assessment in der Schule wurde in den 90er Jahren durch die britischen Forscher Dylan Wiliam und Paul Black geprägt und wird seitdem international vielerorts als individualisierte und schülerzentrierte Feedback- und Lernmethode angewendet. In Deutschland sind die Ansätze und Anwendungsarten des formativen Assessments bei weitem nicht so bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist formatives Assessment in der Schule?

Formatives Assessment trägt in Deutschland mehrere ähnliche Bezeichnungen. Es wird auch formatives Feedback oder formative Beurteilung genannt (nach Simit, 2008), formative Leistungsdiagnostik (Klauer, 2014), Förderdiagnostik (Niedermann, Schweizer & Steppacher, 2007) oder in der Schweiz fördernde Beurteilung. Es handelt sich um eine Lernverlaufsdiagnostik. Formatives Assessment in der Schule bezeichnet also eine besondere Form der Leistungsbeurteilung.

Im normalen Schulalltag werden Schüler nur punktuell am Ende einer Unterrichtseinheit oder eines Projektes bewertet sowie am Ende des Schuljahres. Das formative Assessment beruht auf eine ganz anderen Vorgehensweise, namentlich auf stetiger Bewertung des Lernprozesses und Anpassung des Lernstoffes.

Merkmale des formativen Assessments

Formatives Assessment in der Schule zeichnet sich durch spezielle Merkmale aus. Diese sind:

transparente Lernziele,
prozessorientierte Diagnostik,
formative Rückmeldung,
adaptives Unterrichten,
Partizipation der Lernenden

Transparente Lernziele

Transparente Lernziele beschreiben klar definierte und kommunizierte Erwartungen an die tagesaktuellen Lernziele. Dadurch besteht eine Ergebnis-Klarheit sowohl auf Schüler- als auch auf Lehrerseite. Dies fördert die Motivation der Schüler und ermöglicht es den Lehrern, den Lernfortschritt zu verfolgen und gezieltes Feedback zu geben.

Prozessorientierte Diagnostik

Die prozessorientierte Diagnostik hat ihren absoluten Fokus auf den Lernweg. Durch den steten Blick auf den Lernprozess, den Verlauf und Fortschritt gewinnen Lehrer Einblicke in die Lernstrategien, den Lernerfolg und eventuellen Lernfehler der Schüler. Damit werden Schwierigkeiten frühzeitig erkannt und Unterstützung kann zeitnah und individuell angeboten werden.

Formative Rückmeldung

Formatives Feedback besteht aus steten, regelmäßigen und zeitnahen Rückmeldungen während des Lernprozesses. Es ist ein Gegenkonzept zur summativen Rückmeldung am Ende eines Lernabschnitts oder eines Schulhalbjahres. Im Gegensatz zu vielen Bewertungsformen am Ende einer Unterrichtseinheit ist die formative Rückmeldung immer konstruktiv und zielgerichtet.

Kooperatives Lernen in der Grundschule

Gruppendynamische Potentiale in der Gruppenarbeit

Adaptives Unterrichten

Adaptives Unterrichten umschreibt die ständige Anpassung des Unterrichtes infolge der formativen Rückmeldung und kennzeichnet sich durch Flexibilität und Dynamik. Das Feedback hat nämlich direkte Folgen für den Fortgang des Unterrichtes und bestimmt über Vertiefungs- oder Wiederholungsstunden, über Lernmaterialien und Lernmethoden.

Partizipation der Lernenden

Hierbei geht es darum, Schüler aktiv in den Bewertungsprozess einzubinden. Sie setzen ihre eigenen individuellen Lernziele, formulieren Feedback und üben, ihre Lernstrategien zu reflektieren und zu bewerten. Diese aktive Beteiligung fördert eine Einsicht in den eigenen Lernprozess und erhöht die Lernmotivation und die Verantwortung für die Lernleistungen.

Arbeitsweise und Auswirkungen des formativen Assessments in der Schule

Das formative Assessment besteht aus vielfältigen Instrumenten und Auswirkungen auf den Lernprozess. Zu den grundlegenden gehören kontinuierliche Rückmeldungen zum Lernstand der Schüler, um aktuelle Lernziele zu formulieren. Dieses lernförderliche Feedback ist für die Schüler zentral, damit sie einen ehrlichen Eindruck von ihren Fähigkeiten bekommen und ihre eigenen Stärken und Schwächen besser einschätzen lernen. Gleichzeitig erhalten Lehrkräfte wertvolle Einblicke, die es ihnen ermöglichen, ihren Unterricht zu optimieren und besser auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Schüler einzugehen.

Auswertungsmethoden des formativen Assessments

Lehrer können das formative Assessment auf unterschiedlichen Arten zur Anwendung bringen, um es im Unterricht sinnvoll zu integrieren. Dabei geht es vor allem um positiven Umgang mit den Lernleistungen, um offenen Austausch und eine sehr starke sozialen Komponente und enge Verbindung zwischen den Schülern und dem Lehrer. Dabei gibt es unterstützende Materialien, die Lehrkräfte bei der Erhebung des Lernstands, der Anwendung von Lernverlaufsdiagnostik und von Feedbackgesprächen unterstützen.

Folgende Anwendungsmethoden kommen u.a. im formativen Assessment zur Anwendung:

Kurztests und Quizze: Diese können verwendet werden, um schnell zu überprüfen, ob die Schüler die kürzlich behandelten Inhalte verstanden haben.
Mündliche Rückfragen: Interaktive Diskussionen und Fragen während des Unterrichts fördern die aktive Beteiligung der Schüler und geben dem Lehrer gleichzeitig Einblicke in das Verständnis der Schüler.
Selbsteinschätzung: Die Aufforderung an die Schüler, ihre eigene Arbeit zu bewerten, fördert die Selbstreflexion und das metakognitive Bewusstsein.
Peer-Feedback: Dies fördert die soziale Interaktion und ermöglicht es den Schülern, aus den Perspektiven ihrer Mitschüler zu lernen.
Lernjournale: Diese können dazu dienen, den Lernprozess über einen längeren Zeitraum zu verfolgen und den Schülern Raum zur Reflexion und Selbstausdruck zu geben.

Auswirkungen des formativen Assessments

Durch die kleinteilige und häufige Leistungsbeurteilung wird der Lernprozess in Echtzeit ausgewertet. Anhand der Informationen über den Lernstand der Schüler können die Lehrer eine dynamische Anpassung des Unterrichts an die jeweiligen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Lernenden vornehmen. Eine der zentralen Zielsetzungen des formativen Assessments ist die Individualisierung der Lernschritte und der Unterrichtseinheiten mit dem primären Ziel der Förderung individueller Lernprozesse.

Die Folgen der formativen Beurteilung bewirken ein grundlegend neues Unterrichtstempo, -gefühl und eine komplett neue Form der Interaktion. Die vier zentralen Auswirkungen sind:

Feedback für Schüler: Durch regelmäßige Rückmeldungen erfahren Schüler nicht nur, wo sie stehen, sondern auch, wie sie sich verbessern können. Dies schafft ein Bewusstsein für den eigenen Lernprozess und ermöglicht es den Lernenden, ihre Strategien entsprechend auszurichten.
Dynamik im Unterricht: Mit dem ständigen Feedback können Lehrer ihren Unterricht flexibel gestalten. Sie können Lerninhalte wiederholen, vertiefen oder neue Ansätze wählen, je nachdem, wie die Schüler auf den Stoff reagieren.
Steigerung der Motivation: Wenn Schüler regelmäßig erfahren, dass sie Fortschritte machen und wo genau diese liegen, kann das ihre Lernmotivation erheblich steigern.
Förderung des individuellen Lernens: Jeder Schüler ist einzigartig. Das formative Assessment erkennt die individuellen Bedürfnisse und ermöglicht es Lehrkräften, spezifische Unterstützung oder zusätzliche Herausforderungen anzubieten.

Schule ohne Noten

Keine Schulnoten mehr – ja oder nein?