Gutes Benehmen: Wie sinnvoll sind Höflichkeitsregeln?

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Gutes Benehmen: Höflichkeit ist eine Zier …

„Höflichkeit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr“, so lautet ein (grammatikalisch unsauberer) Spruch im Volksmund. Er deutet an, dass Höflichkeit zuweilen nett daherkommen mag, jedoch sie am Fortkommen behindert. Wer zu höflich und freundlich ist, der wird im Leben womöglich abgehängt. Doch stimmt das wirklich?

Höflichkeit bei Kindern

Gutes Benehmen bei Kindern zum Zweck eines guten Umgangs in der Gesellschaft und der Familie waren in der Geschichte der Höflichkeit eng gekoppelt an die Benimmregeln für Erwachsene. Höflichkeit wurde in früheren Jahrhunderten sehr streng aufgefasst. Heutzutage werden Benimmregeln nicht mehr so streng durchgesetzt, zuweilen gar nicht mehr regulär in Schule oder den Familien eingefordert. Der Spruch „Höflichkeit ist eine Zier…“ treibt die Höflichkeit sogar in das andere Extrem: Es stellt sie als überflüssige „Dekoration“ dar und darüber hinaus als hinderlich und schädlich.

Warum Höflichkeit und gutes Benehmen bei Kindern auch heute noch wichtig ist, düfte ein Exkurs in die Geschichte des höflichen Benehmens zeigen. Denn Höflichkeitsregeln für Kinder und Erwachsene sind schon immer eng an die Gesellschaft gekoppelt, unter deren Bedingungen sie entstehen. Sie wurden durch die geschichtliche Situation, dem sozialen Status und dem Familienstand geformt und vorgegeben. Daher ist Höflichkeit keine starre Vorgabe, sondern veränderbar. Heutzutage darf ein Kind andere Benimmregeln beherzigen als früher.

Dennoch ist gutes Benehmen auch heute noch hilfreich für Kinder, die sie beherrschen. Dies ist einer der Gründe, warum durchaus einige Höflichkeitsregeln die Zeiten überstanden haben und auch heute noch aktuell sind. Warum dies so ist und Höflichkeit zwar anders verstanden, aber nach wie vor keine vernachlässigbare Tugend ist, zeigen folgende Rückblicke in die Vergangenheit.

Höflichkeit als Zeichen eines gesellschaflichen Standes

Die gesamte Zivilisationsgeschichte der Menschen hinweg waren bestimmte Umgangsformen, Floskeln, Ansprachen, Begrüßungsformeln oder Gesten eng an einem sozialen Stand oder der Bindung an einer Konfession gekoppelt. Ein umfangreiches Regelwerk des höflichen Benehmens spickte die soziale Interaktion mit unzähligen Fallstricken und „Fettnäpfchen“. Es bedurfte Benimmschulen und Benimmlehrern, damit die Kinder alle Regeln korrekt verinnerlichen konnten. Ein kleiner Einblick in alte Höflichkeitsbräuche bietet heutzutage das englische Königshaus – ein Knicks vor der Königin, unverzichtbare manirierte Kopfbedeckung bei Festlichkeiten, rituelle Gepflogenheiten bei Zusammenkünften, rigide Tischregeln. Auch der Wiener Opernball ist alljährlich eine kleine Bastion althergebrachter Benimmregeln.

Dabei fällt eine wichtige Grundlage von historisch gefestigtem höflichem Benehmen auf:

  • Das Benehmen ist eng gekoppelt an Gesten und Verhaltensweisen,
  • es ist an bestimmte Kleidungsstile gebunden und
  • sogar ein bestimmtes Menü, eine bestimmte Farbe, ein bestimmter Tanz oder Ablauf gehören zu einem festen Repertoire einer Veranstaltung oder eines gesellschaftlichen Standes und gehörten zum höflichen Benehmen dazu.

Die Grundsätze der Höflichkeit im Mittelalter

Besonders im Mittelalter waren drei gesellschaftlichen Stände zentral: der Ritterstand, der Adel und die Geistlichen.

Das Benehmen in Männerzusammenkünften war im Mittelalter wohl rauh und grobschlächtig und auch Körpergeräusche waren an der Tagesordnung. Im Ritterstand war es lange Zeit üblich, laut beim Essen zu Rülpsen, denn so gab man zu erkennen, dass das Essen einem gemudet hatte.Es besteht die Annahme, dass erst mit dem gemeinsamen Essen und Feiern von Mann und Frau im Mittelalter des 11. Jahrhunderts gewisse Tisch- und gesellschaftliche Sitten eingeführt wurden. Seitdem gibt es die Vorgaben, sich die Hände vor dem Essen zu waschen, nicht beim Essen zu rülpsen, nicht ins Essen zur Abkühlung zu pusten, sich die Hände nicht an der Kleidung abwischen. Alles Vorgaben des höflichen Benehmens, die bis heute gültig geblieben sind und uns selbstverständlich erscheinen.

Die Verfeinerung der Regeln in der Neuzeit

In der Gesellschaftsschicht der Adligen bekamen mit dem Anbruch der Neuzeit ab 1400 die Benimmregeln feinere und teils sehr komplizierte Auswüchse, die uns heute erstaunen und übertrieben erscheinen. So durfte man sich nur setzen oder stehen, wenn die anderen im Raum ebenfalls saßen oder standen. Beim Spaziergang nahm man den gesellschaftlich höchsten Menschen in seiner Mitte und richtete sich nach seiner Ganggeschwindigkeit und -richtung, man machte zur Begrüßung einen Knicks oder eine Verbeugung und Männer küsten der Dame die Hand.

Obgleich uns dies heutzutage kuriös erscheint, stimmen wiederum andere Höflichkeitsregeln mit unseren noch immer überein: Beispielsweise gilt es noch heute als höflich, gemeinsam ein Essen anzufangen, mit Besteck zu essen und beim Zusammentreffen auf einer Menschengruppe, zu der man geladen ist, zuerst den Gastgeber zu begrüßen.

Auch entblößte der Ritter den Kopf, wenn er in friedliche Absicht auf jemanden traf – symbolisch stand dies für seine freundliche Besinnung. Noch heute verweist das Hutziehen darauf.

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Die berühmten Regeln der Aufklärung

Berühmt und heute noch nachgedruckt und gelesen wird der wohl bekannteste Benimmratgeber in Deutschland: Der Knigge. „Über den Umgang mit Menschen“ von Schriftstellers Adolph Freiherr Knigge erschien 1788. Der Name seines Autors steht bis heute stellvertretend für gutes Benehmen und wurde für andere „Knigge“ entlehnt, der Knigge für Unternehmer, der Knigge für Jugendliche usw.

Um 1850 schrieb Lehmann in seinen „Regeln des Anstands, der Höflichkeit und der guten Sitte für deutsche Knaben- und Mädchenschulen“ dass es – ungeachtet sommerlicher Hitze – unhöflich sei, barfuß und mit entblößtem Oberkörper umherzugehen. Zwar nicht am Strand, aber sonst schon in den meisten Zusammenhängen stimmt diese Regel heute noch immer. Weiterhin gilt noch immer der Rat, man solle auch alleine in den eigenen vier Wänden gutes Benehmen walten lassen, denn die Gewohnheit erleichtere es einem, auch in Gesellschaft höflich zu sein. Ferner heißt es bezüglich der Tischsitten: „Seine Suppe schlürfe man ja nicht mit Geräusch, blase nie darauf, vermeide beim Kauen jedes Geräusch, […] halte Messer und Gabel nie aufrecht, oder gesticulire gar damit.“ Dies ist wohl auch heute noch gute Sitte bei Tisch.

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Gleichzeitig betont Lehmann, dass man früher beim Niesen „Gesundheit“ und bei Tisch „Guten Apettit“ wünschte, wohingegen er in seinem Benimmwerk dies nicht mehr empfiehlt. Heute hingegen ist dies in einigen Ländern und Landteilen wieder üblich.

Warum gutes Benehmen wichtig ist

Fasst man die Geschichte der Höflichkeitsregeln zusammen, so stellt man fest:

  • Die festen Regeln vermitteln Sicherheit im gesellschaftlichen Umgang.
  • Sie geben feste Richtlinien vor, nach denen sich eine Gruppe richten kann.
  • Gutes Benehmen erleichtert den Kontakt zu Menschen unterschiedlicher Herkunft, denn Höflichkeit signalisiert Respekt und ist – trotz unterschiedlicher Formalitäten und Gepflogenheiten – international geschätzt.
  • Hoflichkeit bei Kindern ist ein wichtiger Teil des sozialen Lernens und der Integration in Gruppen.
  • Benimmregeln erleichtern auch sozial benachteiligten Kindern den Aufstieg und die Teilnahme in höheren sozialen oder Bildungs-Kreisen, sodass sie besonders beruflich ein Benefit darstellen.

Wenngleich viele alte Höflichkeitsregeln und auch der berühmte Knigge auf den ersten Blick nicht mehr zeitgemäß erscheinen, so sind viele von diesen Benimmregeln doch bewährte Mittel, um respektvoll, sozial und mit Anstand auf andere Menschen zu treffen, ins Gespräch zu kommen und sich in Gruppen zu integrieren.

Unabhängig davon, ob man Höflichkeitsregeln in seinem familiären Umfeld oder mit Freunden einhält, man sollte die Wichtigsten davon jedenfalls kennen. Eltern sollten ihre Kinder darin einführen, mit Freude in ungezwungenen Situationen üben und wohlwollend auf wichtigste Regeln hinweisen.

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Quellen

  • https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/essen/tischetikette/pwietischsittenimmittelalter100.html
  • https://www.fnp.de/lokales/main-taunus/schwalbach-ort95921/faekalien-gluecksfaelle-10753576.html
  • https://www.salzburg24.at/news/welt/gutes-benehmen-kuriose-manieren-aus-dem-mittelalter-83728138
  • https://www.gutenberg.org/files/46453/46453-h/46453-h.htm
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Adolph_Knigge
  • https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cber_den_Umgang_mit_Menschen

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