Vulnerabilitäts-Stress-Modell

Vulnerabilität-Stress-Modell - Spielundlern.de

Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell, auch bekannt als das Diathese-Stress-Modell, ist ein psychologisches Modell, das die individuelle Anfälligkeit eines Menschen für psychische Erkrankungen aufzeigt. Es wird vor allem in der klinischen Psychologie dafür herangezogen, um aufzuzeigen, welche Parameter der individuellen Anlage und des Umfelds zur Entstehung psychischer Störungen beitragen.

Definition

Vulnerabilität

Der Begriff Vulnerabilität kommt von dem lateinischen Wort „vulnus“, was auf Deutsch Wunde bedeutet. Er bezeichnet die Anfälligkeit eines Menschen, an einer psychischen Krankheit zu erkranken.

Unter Vulnerabilität wird eine prädisponierte Vulnerabilität verstanden, wie etwa genetische Faktoren, Persönlichkeitsmerkmale, biografische Dispositionen oder frühkindliche Traumata.

Demgegenüber stehen berufliche oder private Stresssituationen oder Krisen sowie belastende Erlebnisse im Leben eines Menschen, das sind dann erworbene Vulnerabilitäten.

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Stress

Der Begriff Stress, auf Latein „strictus“ von straff wurde aus dem Englischen übernommen und bedeutet Druck oder Beanspruchung. Reize, die von einem Großteil der Menschen als Stress erlebt werden, sind beispielsweise:

  • übermäßige Alltags- und Arbeitsbelastungen
  • physikalisch-sensorische Stressoren, etwa Lärm oder Zeitdruck sowie Schlafentzug
  • Leistungs- und soziale Stressoren wie beispielsweise Konflikte
  • Körperliche Stressoren wie etwa Schmerz oder Hunger
  • Belastende kritische Lebensereignisse wie der Verlust von Bezugspersonen
  • Chronische Spannungen und Belastungen, beispielsweise Krankheit
  • Kritische Übergänge im Lebensverlauf, sogenannte „Transitionen“ sowie Initiationen

Verbindung zwischen Veranlagung und äußeren Stressoren

Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell spannt einen kausalen Bogen zwischen der genetisch und frühkindlich angelegten Stressempfindlichkeit eines Menschen und den äußerlichen Stressoren. Anlage und Belastungssituationen im Leben bedingen oder verhindern Krankheiten der Psyche. Dieses Modell stellt demnach den Fokus auf ein Zusammenwirken dieser zwei Einflussfaktoren, deren Ergebnis psychische Störungen sein können. Ebenfalls bestimmt das Verhältnis von Vulnerabilität zu Stress die Resilienz eines Menschen.

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Besonderheit des Vulnerabilität-Stress-Modells

Vulnerabilität und Stress stellen in diesem Modell keine festen Parameter für Erkrankungen der Psyche dar, es gibt demnach keine solitären Belastungsgrößen mit Krankheitswert. Der Einzelwert einer Belastung ist folglich nicht ausschlaggebend für die Entstehung psychischer Erkrankungen.

Trifft eine hohe prädisponierte Vulnerabilität auf geringen Umweltstress oder eine niedrige Vulnerabilität auf erhöhten Umweltstress, so ist der Ausbruch einer psychischer Erkrankung weniger wahrscheinlich, als wenn beide Parameter hohe Werte aufweisen.

Im Umkehrschluss heißt es jedoch nicht, dass geringe Vulnerabilität- und Stresswerte ohne Folgen für die Psyche bleiben. Denn nicht nur die Stärke der Belastung ist ausschlaggebend. Auf den Ausbruch einer psychischen Erkrankung wirkt sich auch aus, welche individuellen Triggerpunkte aufeinandertreffen. Trifft eine frühe Trennungsangst auf eine aktuelle Verlusterfahrung, so kommt es viel eher zur Pathologisierung, als wenn die Stressauslöser andere „Themen“ berühren.

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Faktoren hoher Vulnerabilität

Wie hoch die Vulnerabilität eines Menschen ist, wird bestimmt durch ganz unterschiedliche biologische, genetische, frühkindliche und Umwelt-Faktoren wie beispielsweise:

  • Geburtskomplikationen, sogenannte prä-, peri- und postnatale Einflüsse wie Frühgeburt
  • genetische Faktoren
  • chronische Erkrankungen
  • fehlende Selbstregulation
  • neuropsychologische Schäden
  • unsichere Bindung
  • dysfunktionale Erziehung
  • unsichere Bindungspersonen
  • psychisch kranke Bindungspersonen
  • niedriger sozioökonomischer Status
  • Traumata
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Folgen hoher Vulnerabilität

Psychosomatische Reaktionen

Psychosomatische Reaktionen sind körperliche Beschwerden, die maßgeblich durch psychische und emotionale Faktoren beeinflusst oder ausgelöst werden. Es sind demnach psychische Beschwerden, die sich physisch auswirken.

Ein klassisches Beispiel für eine psychosomatische Reaktion ist der Reizdarmsyndrom (IBS). Bei dieser Erkrankung können psychische Faktoren wie Stress und Angst die Darmfunktion beeinflussen, was zu Symptomen wie Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfung oder Durchfall führt, ohne dass körperliche Ursachen gefunden werden.

Stresshormone

Langfristiger Stress kann zur Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol führen. Cortisol führt langfristig dazu, dass das Immunsystem nicht mehr ausreichend funktioniert oder dass das Herz-Kreislaufsystem gestört wird. Des Weiteren sind Ein- oder Durchschlafstörungen eine häufige Folge eines ungünstigen Vulnerabilitäts-Stress-Verhältnisses.

Neurologische Auswirkungen

Chronischer Stress und psychische Belastungen können auch strukturelle und funktionelle Veränderungen im Gehirn bewirken, was die Anfälligkeit für bestimmte psychische Störungen erhöht. Die häufigsten Folgen sind Depressionen, Zwangsgedanken oder Grübeln.

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Das Fass

Das Bild eines Fasses verbildlicht die Verbindung zwischen Verletzlichkeit und Stress. Je höher die Vulnerabilität, desto voller ist das sinnbildliche Fass. Das überlaufende Fass ist gleichzusetzen mit einer psychischen Erkrankung, die sich Bann bricht.

Was kann der Vulnerabilität entgegengesetzt werden?

Entsprechend dem Fassmodell sollte die Vulnerabilität so niedrig wie möglich gehalten werden, damit „im Fass“ noch genug Raum ist für unvorhersehbare äußere, das Nervensystem belastende Ereignisse. Bewährte Mittel dafür sind

  • Entspannungstechniken wie etwa Yoga oder Qi Gong,
  • Atemtechniken,
  • Achtsamkeitstraining,
  • eine Balance zwischen Arbeits- und Privatleben,
  • dazu sportliche Betätigung und
  • lange Aufenthalte in der Natur.

All dies stellt einen Überlaufschutz für das modellhafte Fass dar.

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Äußere Begebenheiten können häufig nicht so schnell und einfach geändert werden. Werden jedoch die Hauptstressoren ausgemacht, können Betroffene versuchen, langfristig Änderungen anzugehen.

Je nachdem, welche Lebensumstände sich verstärkend auf die Vulnerabilität auswirken, können Hebel angesetzt werden bei:

  • familiär ungünstigen Strukturen
  • Mobbingssituationen in der Schule oder der Clique
  • Ängsten oder Unsicherheiten bezüglich der Zukunft
  • Verlusterfahrungen naher Menschen

Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell ist wichtig für das Verständnis der komplexen Wechselwirkungen zwischen biologischen, psychologischen und umweltbedingten Faktoren in der Entwicklung psychischer Störungen. Es betont die Bedeutung eines ganzheitlichen Ansatzes bei der Behandlung und Prävention dieser Störungen.

Bildquellen

  • Pixabay @ Steve Buissine
  • Pexels @ Anete Lusina
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  • Pexels @ Karolina Grabowska
  • Pixabay @ Bernd
  • Pexels @ Michelle Leman

Quellen

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Diathese-Stress-Modell
  • https://www.mediclin.de/ratgeber-gesundheit/psyche-koerper/vulnerabilitaets-stress-modell/
  • https://www.psychonlinetherapie.de/news/vulnerabilitats-stress-modell/
  • https://deutsche-heilpraktikerschule.de/das-vulnerabilitaets-stress-modell-warum-ist-das-fass-am-ueberlaufen/
  • https://leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/stress-und-stressbewaeltigung/
  • https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/vulnerabilitaets-stress-modell
  • https://www.resilienz-akademie.com/vulnerabilitaets-stress-modell/

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