Mundmotorik – Störungen und Therapie

Die Mundmotorik ist ein Teilgebiet der Feinmotorik. Der Mundraum und Rachen ermöglicht durch die komplizierte Abstimmung einer Vielzahl von Muskeln lebenswichtige Funktionen wie Essen, Schlucken und Erbrechen. Das Aussprechen von Lauten, das Blasen und Saugen werden erst durch Lippen- und Zungenbewegungen ermöglicht, zusätzlich ist eine funktionale Mundbeweglichkeit für die angemessene Strömung des Atems nötig. Die Übungen bei Entwicklungsdefiziten und Mundfunktionsstörungen auf diesem Gebiet werden hauptsächlich von Logopäden durchgeführt. In der Ergotherapie werden unterstützend Übungen der Mundmotorik eingesetzt.

Myofunktionelle Störungen

Eine myofunktionelle Störung beschreibt eine Beeinträchtigung oder auch Schwächung der Muskeln der Mundmotorik. Das Gleichgewicht aller an einem mundmotorischen Prozess beteiligten Strukturen ist nicht mehr gegeben und behindern koordinierte Bewegungen im Mund und weiterführend auch im Gesichtsbereich. Funktionen, die eine Störung der mundmotorischen Entwicklung aufzeigen können:

Sprache

Allein für das Sprechen sind über 100 Muskeln nötig, die zeitlich und in der richtigen Stärke miteinander koordiniert werden wollen. Das funktioniert allerdings nur, wenn die dazu nötigen Bewegungsmuster automatisch abgerufen und differenziert wahrgenommen werden. Die zum Einsatz kommenden aktiven Organe der Sprechmotorik sind Zunge und Lippe, der Gaumen und die Zähne erfüllen dabei eine passive Hilfsfunktion. Die Aussprache entsteht, indem durch den Mund fließende Luft unterschiedlich modelliert wird und dabei die Laute formt.

Entwicklungsdefizite und Symptome

Der komplizierte Vorgang des Formens eines Lautes durch die Sprechmotorik kann bereits durch die Fehlfunktion eines kleinen Bereiches gestört werden. Eine undeutliche Aussprache ist dann meist die hörbare Folge, Defizite beim Schreiben treten aber ebenso hervor. Grund dafür ist, dass ein korrektes Abhören des eigenen Sprachvorgangs nötig ist, um die Abfolge der Laute zu erkennen und schriftlich wiedergeben zu können. Hinweise, das eine Grundfunktion der Mundmotorik beeinträchtigt ist und zu Störungen der Sprachentwicklung führen können:

  • Atmung durch den Mund
  • Essen mit offenem Mund
  • Angewohnheiten wie Daumenlutschen
  • Ständiges Naseschnauben
  • Aussprache und Laute sind undeutlich, das Kind nuschelt, lispeln
  • Vermehrter Speichelfluss, entzündete Mundwinkel
  • Die Zunge liegt zwischen den Zähnen

Sprachförderung

Es ist generell sinnvoll, die Wahrnehmung für den motorischen Ablauf beim Nutzen der Sprache zu fördern. Konkret bedeutet das, die Kinder dafür zu sensibilisieren was beim Sprechen im Mund passiert. Ein korrektes Zusammenspiel der Bewegungen von Zunge und Lippen ist für die Lautbildung wichtig. Wie bewegt sich die Zunge, was machen die Lippen ? Eine einfache Übung, die zugleich auch den Stand der Entwicklung aufzeigen kann, ist das Pusten, zum Beispiel von Wattebällchen und Federn mit einem Strohhalm. Die Fähigkeit für die Wahrnehmung und die dabei aktivierten Muskeln sind dabei ähnlich kompliziert wie beim Formen von Sprachlauten.

Übungen der Mundmotorik beim Zähneputzen vor dem Spiegel
Übungen der Mundmotorik vor dem Spiegel

Schlucken

Die Art wie wir Schlucken ändert sich mit unserer Entwicklung. Das Schluckverhalten von Säuglingen ist anders als das von Erwachsenen. Die kleine Mundhöhle ist fast gänzlich von der Zunge ausgefüllt und die Zunge ist in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Ein Säugling schluckt mit offenen Lippen und indem sich die Zunge nur vor und zurück bewegt. Dieses Muster wird durch das Saugen an der Brust nach und nach umgestellt, die Zunge drückt nun an den Gaumen und die Lippen bleiben geschlossen. Durch die in der Entwicklung folgende Umstellung auf feste Nahrung wird das Schluckmuster immer weiter gefestigt und die Muskeln der Mundmotorik gestärkt.

Entwicklungsdefizite und Symptome

Kinder oder Jugendliche mit einem falschen Schluckablauf haben in der Regel das Schluckverhalten aus dem Säuglingsalter nicht abgelegt. Die Zunge drückt nicht an den Gaumen sondern nach vorne oder seitlich an die Zähne. Die Muskulatur wird dadurch ungleich beansprucht, die Essenaufnahme ist funktional aber der Transport über die Zunge ist eingeschränkt. In der Konsequenz wird die eigentliche Arbeit der Zunge auf andere Muskeln übertragen und führt zu einem Ungleichgewicht der Mundmotorik. Durch den Druck der Zunge können sich die Zähne verschieben und eine Veränderung der Stellung des Kiefers eintreten. Eine Therapie sollte daher auch immer in Verbindung mit einer kieferorthopädischen Behandlung erfolgen.

Behandlungsmethoden

Ziel einer Behandlung ist die Umstellung auf den Bewegungsablauf des alterstypischen Schluckmusters. Grundlage für das richtige Schlucken ist dabei die Stärkung der Muskulatur von Zunge, Lippe und Mund sowie dem Abbau der mit dem falschen Schlucken im Zusammenhang stehenden Angewohnheiten des Kindes. Da die falsche Zungenlage oft schon zur Gewohnheit geworden ist und durch immer wiederkehrende Übungseinheiten aufgelöst werden muss, bieten sich spezielle Hilfen zum Training an.

Hilfsmittel für die Therapie bei myofunktionellen Störungen

Kauschlauch aus Kautschuk

Trinkschlauch für die myofunktionelle Therapie

Der Kauschlauch steht in enger Verbindung mit der Neurofunktionellen Reorganisation nach Padovan. Der Grundgedanke der Therapie nach der Brasilianerin Beatriz A. E. Padovan besteht darin, dass fehlbehaftete Leistungen des Körpers durch ein nicht ausgereiftes Nervensystem bedingt werden. Die neurologische Stimulation ist für die Steuerung der Muskelfunktion zuständig und sollte bei der Behandlung von myofunktionellen Störungen im Vordergrund stehen. Für die Praxis bedeutet dieser Ansatz, dass die Steuerung des Bewegungsablaufes trainiert werden muss und nicht nur die einzelne Muskelfunktion. Dieser Therapieansatz gilt ebenfalls für die orofaziale Regulationstherapie nach Castillo Morales, welche auf neurophysiologischer Basis ein umfassendes Behandlungskonzept für Störungen im Mund- und Gesichtsbereich bietet.

Der Kauschlauch in der Praxis

Am Kauschlauch, auch Kaunudel genannt, können Übungen für das Beißen und Kauen durchgeführt werden. Das Material Kautschuk verformt sich nur mit einem gewissen Widerstand, so dass die Muskelbewegungen aktiviert werden. Der Patient führt im Training den natürlichen,  in der Genetik programmierten Bewegungsablauf für eine funktionale Mundbewegung immer wieder aus. Die ständige Wiederholung der Einheiten führt dazu, dass falsche Gewohnheiten korrigiert werden und die richtigen Bewegungen erlernt werden. Diese Technik lässt sich nicht nur in der logopädischen und kieferorthopädischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen einsetzen, sondern auch in der Behandlung von Menschen nach Schlaganfällen oder Behinderten mit oralem Zwangsverhalten.

Der Schlauch ist in der Regel mit einer Länge von einem Meter erhältlich, der Durchmesser kann variabel nach dem Entwicklungsfortschritt der Mundmuskulatur gewählt werden. Eine beliebte Größe ist der Kauschlauch mit einer Wandstärke von 2,5 mm und einem Innendurchmesser von 5 mm.  Der Kauschlauch mit einer Stärke von 1,5 mm besitzt einen etwas geringeren Widerstand und lässt sich somit leichter kauen.

Trinkschlauch aus Silikon

Saugschlauch für die myofunktionelle Therapie

Das Saugen ist eine elementare Basis für das korrekte Formen von Lauten. Durch Übungen mit dem Trinkschlauch oder auch Saugschlauch bei myofunktionellen Störungen soll in erster Linie ein guter Mundschluss erreicht werden, im Anschluss steht dann die Korrektur der Zungenruhelage. Die Isolation und Koordination der einzelnen Bewegungen von Kiefer, Zungen und Lippen können durch bestimmte Aufgabenstellungen trainiert werden. Das korrekte Schluckverhalten wird mit dem Heben und dem Ansaugen des Mittelteils der Zunge trainiert.

Ein Saugschlauch aus Silikon ist in verschiedenen Größen erhältlich. Er kann bei Übungen auch in Kombination mit dem Kauschlauch eingesetzt werden, beispielsweise indem ein kleiner Kauschlauch quer über der Zunge liegt. Im zweiten Schritt muss dann versucht werden, mit dem Trinkschlauch zu trinken.

Schlauch für die Stimmtherapie

Eine Störung der Stimme kann eine Fehlfunktion aus funktionellen und organischen Gründen sein. Funktionelle Ursachen wären der strapazierte oder falsche Stimmgebrauch, während ein organischer Grund die Erkrankung des Kehlkopfes wäre. Stimmstörungen können unabhängig vom Alter auftreten, einige Symptome wären:

  • zwanghaftes Husten und Räuspern
  • anhaltende Heiserkeit
  • Veränderung des Klanges der Stimme
  • starke Anstrengung

Die LAX VOX Methode wird zur Entspannung der Muskulatur von Kehlkopf und Kiefer eingesetzt. Die Stimme soll durch korrekte Atmung und Haltung wiederhergestellt werden. Erfunden wurde dieser Therapieansatz von der Finnin Marketta Sihvo und beinhaltet einen Schlauch aus Silikon und die entsprechenden Übungen. Der Silikonschlauch für die Stimmtherapie wird in ein bis zu 4 cm hohes Wasserbad getaucht und nach Übungsstand erste Töne bis hin zu ganzen Melodien durch diesen geblubbert. Diese Übungen sollten 3 – 5 Mal für bis zu 3 Minuten am Tag durchgeführt werden.

Sie finden in unserem Online-Shop ein umfangreiches Angebot zur Myofunktionellen Therapie als auch für Stimmtherapie und Stimmtraining. Unsere tuboTANDI Schläuche sind für den Einsatz in der Logopädie und als Hilfsmittel für die Lax Vox Methode bestens geeignet.

Einfache Übungen zur mundmotorischen Förderung

Zungenübungen

  • Zunge aus dem Mund herausstrecken und auf Kommando wieder einziehen
  • Lippen öffnen, Zunge herausstrecken und abwechselnd breit und spitz machen
  • Zungenspitze im Wechsel zur Nase und zum Kinn bewegen
  • Schnalzen mit der Zunge
  • Zähne putzen mit der Zunge
  • Zunge in die rechte oder linke Wangentasche drücken

Lippenübungen

  • Wangen aufblasen und zum Platzen bringen
  • Lippen breit und spitz machen
  • Trinkhalm zwischen Nase und Oberlippe einklemmen
  • Kleine Sachen nur mit den Lippen vom Teller aufheben (Gummibärchen, Rosinen)
  • Oberlippe über Unterlippe stülpen und anders herum

Pusteübungen

  • Federn, Wattebällchen mit einem Strohhalm
  • Kerzen auspusten
  • Seifenblasen pusten
  • Pusten auf ein Ziel, zum Beispiel mit einem Tischtennisball einen Baustein treffen

Quellen:

  • Brügge/Mohs, Therapie bei Sprachentwicklungsstörungen © 2012 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München
  • Petra Schuster, Funbktionales Mundprogramm (FMP) © 2014 by modernes lernen, Verlag, Dortmund

8 Kommentare zu “Mundmotorik – Störungen und Therapie”

  1. Meine Tochter befindet sich seit neuestem in Stimmtherapie. Da Ihre Mundmotorik muskulär geschwächt scheint, möchten wir mit der Stimmtherapie versuchen Besserung zu schaffe. Wie Sie bereits anführen, reichen kleine Bereiche für eine größere Störung aus. Vielen Dank für Ihren Beitrag.

  2. Interessant, dass auch in der Ergotherapie unterstützend Übungen der Mundmotorik eingesetzt werden. Danke für den Blog! Meine junge Tochter hat ebenfalls Störungen mit der Mundmotorik, was hauptsächlich an der Zunge liegt. Am besten wende ich mich die Tage mit ihr auch an eine Praxis für Logopädie.

  3. Interessant, dass auch in der Ergotherapie unterstützende Übungen der Mundmotorik eingesetzt werden. Mein Sohn hat einen leichten Überbiss bekommen, was seiner Zunge geschuldet ist. Ich möchte mir dafür demnächst eine gute Praxis für Logopädie suchen.

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